Feldzeugmeister Graf Baillet de Latour-Merlemont

Ludwig Wilhelm Anton Graf Baillet de Latour-Merlemont (stets nur „Baillet“ oder „Baillet-Merlemont“ genannt) wurde als jüngerer Bruder des berühmten Feldzeugmeisters Maximilian Graf Baillet de Latour auf dem Stammschloss der Familie dem Chateau de Latour am 12. Februar 1753 geboren. Der junge Baillet trat am 6. Februar 1767 als Freiwilliger in das kaiserlich-österreichische Infanterie-Regiment Nr. 14 „Salm-Salm“ ein. Am 1. März 1773 wurde Baillet zum Hauptmann befördert, und focht während des Bayerischen Erbfolgekrieges (1778/79) gegen Preußen. Im Mai 1783 zuerst zum Major befördert, stieg er im Dezember 1783 zum Oberstleutnant auf. Ab dem Jahr 1784 diente Baillet in den österreichischen Niederlanden (Belgien). Am 2. Februar 1788 erfolgte Baillets Beförderung zum Oberst.

Zu Beginn des Ersten Koalitionskrieges im April 1792 war Baillet Kommandeur des Infanterie-Regiments Nr. 14 „Klebek“. Am 1. Januar 1793 zum Generalmajor ernannt, diente Baillet als Brigadekommandeur im Korps des Feldzeugmeisters Graf von Clerfayt und wurde während der erfolgreichen Belagerung von Quesnoy (vom 28. August bis 13. September 1793) durch eine Kanonenkugel am Bein verwundet.

Im Jahr 1795 am Oberrhein fechtend, wurde Baillet, persönlich tapfer und immer an der Spitze seiner Soldaten in den Gefechten von Kehl, Gambsheim und vor Mannheim verwundet. Im Feldzug von 1796 in der k.k. Oberrhein-Armee unter seinem älteren Bruder, Feldzeugmeister Graf Baillet de Latour angestellt, und am 23. März 1796 zum Feldmarschall-Leutnant befördert. Baillet nahm nach der Kommandoübernahme von Erzherzog Karl an den Schlachten und Gefechten von Malsch (9. Juli 1796), Bad Cannstatt (21. Juli 1796) und Neresheim (11. August 1796) teil. Während der Ersten Schlacht bei Biberach (2. Oktober 1796) befehligte Baillet de Merlemont die Avantgarde des Korps seines älteren Bruders, nahm an den weiteren Schlachten von Emmendingen (19. Oktober 1796) und Schliengen (24. Oktober 1796) teil, und verblieb im Frühjahr 1797 als Divisionskommandeur am Oberrhein.

Zu Beginn des Zweiten Koalitionskrieges im März 1799 als Befehlshaber einer Infanterie-Division im kaiserlich-österreichischen Heer unter Erzherzog Karl in Schwaben angestellt, nahm Baillet de Merlemont an den Schlachten von Ostrach (21. März 1799), Stockach (25. März 1799) sowie der Ersten Schlacht bei Zürich (4. Juni 1799) teil.

Während der zweiten Phase des Zweiten Koalitionskrieges kommandierte Baillet während des Frühjahr-Feldzuges von 1800 zunächst wiederum eine Infanterie-Division, und stand unter dem Oberbefehl von Feldzeugmeister von Kray. Mit seiner Division focht Baillet mit wechselhaftem Waffenglück in den Schlachten bei Engen (3. Mai 1800), Messkirch (5. Mai 1800) und bei Biberach (9. Mai 1800). Nach der Neuorganisation seines Heeres am 11. Mai in Ulm übertrug Kray, Baillet das Kommando über das Erste Treffen bestehend aus 18 Bataillonen und 22 Eskadronen (zusammen etwa 13.000 Mann). Im unglücklichen Gefecht bei Erolzheim (5. Juni 1800) kommandierte Baillet die dritte Hauptkolonne Krays (bestehend aus 8 Bataillonen und 10 Eskadronen). Zuerst glücklich gegen die französische Brigade Sahuc an der Iler vorgehend, und diese aus Unter- wie auch Ober-Balzheim sowie Wain werfend, wurde Baillets Kolonne von der frischen Division Ney angegriffen und mußte nach einem empfindlichen Verlust den Rückzug antreten. Nachdem Feldzeugmeister Kray Ende Juli 1800 abgelöst wurde, und durch den jugendlichen Bruder des Kaisers, Erzherzog Johann im Oberbefehl der Armee ersetzt wurde, erhielt Baillet de Merlemont im kommenden Winterfeldzug das Kommando über den sogenannten „Halbrechten Flügel“ (Divisionen Fürst von Hohenlohe-Ingelfingen und Erbprinz von Hessen-Homburg mit 10 Bataillonen und 18 Eskadronen, zusammen etwa 11.000 Mann). Mit seinem Verband nahm Baillet an der für Österreich katastrophalen Schlacht von Hohenlinden am 3. Dezember 1800 teil, konnte sich aber ohne von den französischen Truppen aufgerieben zu werden, weitgehend intakt herauslösen.

Während des Dritten Koalitionskrieges von 1805 in der kaiserlich-österreichischen Armee in Schwaben unter Feldmarschall-Leutnant Freiherr von Mack angestellt, befehligte Baillet eine Division (12 Bataillone und 14 Eskadronen) im Korps des Feldmarschall-Leutnants von Werneck. Beim Abmarsch des Korps Werneck aus Ulm am 13. Oktober 1805 mit seiner Division in heftige Gefechte mit den verfolgenden französischen Kavallerieverbänden unter Marschall Murat verwickelt, mußte Baillet wie auch Werneck nachdem sie bei Herbrechtingen (17. Oktober 1805) und Neresheim (17. Oktober 1805) geschlagen und schließlich eingekreist worden waren, bei Trochtelfingen am 18. Oktober 1805 kapitulieren und den Weg in die französische Gefangenschaft antreten. Wie es scheint durften jedoch die höheren österreichischen Offiziere (Baillet, Werneck), wie bei der Kapitulation Macks in Ulm am 20. Oktober 1805 praktiziert, gegen die Verpflichtung auf Ehrenwort, bis zur Auswechselung während der Dauer des Feldzuges nicht gegen Frankreich zu dienen, nach Österreich zurückkehren. Sich an dieses Ehrenwort haltend, und nicht mehr am weiteren Verlauf des Krieges von 1805 teilnehmend, kehrte Baillet de Merlemont in die Heimat zurück.

Bereits im März 1806 wurde er zum Generalgouverneur der Steiermark und Kärntens ernannt. Im Oktober 1807 erfolgte seine Ernennung zum Vizepräsident des kaiserlichen Militärgerichts sowie zum Inhaber des Infanterie-Regiments Nr. 63 (Baillet führte es bis ins Jahr 1811). Am 6. September 1808 wurde Baillet für seine Verdienste zum Feldzeugmeister befördert.

Am 19. Oktober 1810 trat Baillet de Merlemont aus der kaiserlich-österreichischen Armee aus, und bot Napoleon seine Dienste an. Sein Grund hierfür ist nicht klar. Bereits am 6. März 1811 wurde Baillet im Rang eines Divisionsgenerals in der französischen Armee eingestellt. Vor Beginn des Russlandfeldzuges im Mai 1812 von Napoleon zum Befehlshaber von Westpreußen mit Sitz in Bromberg bestimmt, erfolgte am 16. Juni 1812 sogar seine weitere Ernennung zum Gouverneur von Elbing. Nach dem katastrophalen Feldzug Napoleons in Russland erhielt Baillet am 22. Dezember 1812 die Erlaubnis zur Rückkehr nach Frankreich. Nur wenig später am 10. Januar 1813 quittierte er seinen Dienst als Gouverneur von Elbing.

Nach Napoleons erster Abdankung im April 1814, unter dem bourbonischen König Ludwig XVIII. am 8. Juli 1814 mit dem Ritterkreuz des Ordens vom heiligen Ludwig ausgezeichnet, trat Baillet am 24. Dezember 1814 in den Ruhestand. Noch im Jahr 1826 wurde er zum Grafen (Comte) des Königreichs Frankreich erhoben. Baillet de Merlemont verstarb am 1. September 1836 in Brüssel.